Ehemaliger Schüler will Hort-Helfer werden

Die zehn Jahre als Schüler im Hort der Förderschule Weidemoor waren eine gute Zeit im Leben von Pelle Reinecke. So gut, dass er dort jetzt als Mitarbeiter anheuert.


Immer in Bewegung, am liebsten im Freien – anders kann sich Pierre Reinecke, der von allen nur Pelle gerufen wird, seinen Alltag nicht vorstellen. Die Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung war für den Hamburger mit Lernschwierigkeiten daher nie eine Option. Stattdessen heuerte der heute 21-Jährige vor rund einem Jahr dort an, wo er in seiner Kindheit und Jugend die beste Zeit verbrachte: Im Hort der Schule Weidemoor für Kinder mit sogenanntem Förderbedarf in der geistigen Entwicklung.

Toben, Sport machen, Fangen und Verstecken spielen

„Ich will mit Kindern arbeiten, mit ihnen toben, Sport machen, Fangen und Verstecken spielen“, beschreibt Pelle Reinecke die Gründe für seinen Berufswunsch. Zurzeit macht er in dem Hort der Schulischen Ganztagsbetreuung des Sozialkontors in Hamburg-Bergedorf erstmal ein Praktikum in der Betrieblichen Berufsbildung (BBB), die die Agentur für Arbeit für seine berufliche Orientierung und Qualifizierung finanziert. 

Die Maßnahme hat zum Ziel, Menschen mit Einschränkungen für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen, deren Kosten sich Arbeitgeber und die Agentur für Arbeit teilen. Dabei geht es vor allem darum, Alternativen zur Tätigkeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen aufzuzeigen. In bis zu 27 Monaten absolvieren die Teilnehmenden dieser Maßnahme für gewöhnlich mehrere Praktika in verschiedenen Branchen – etwa im Einzelhandel, in der Logistik oder Gastronomie. „Das sind Puffermaßnahmen für junge Menschen, die von der Schule kommen, damit sie Dinge ausprobieren und etwas lernen können“, sagt Julia Sağra-Das Sharma von der Hamburger Arbeitsassistenz, die Pelle während seines Praktikums unterstützt.

Nachhaken bei der Dienstbesprechung

Pelle Reinecke interessierte sich aber nicht für andere Branchen. „Im Hort war ich fast mein ganzes Leben, nur da wollte ich hin“, betont er. Mittlerweile übernimmt er dort zum Teil auch verantwortungsvolle Aufgaben – etwa, den Computer startklar machen, wenn die Hortgruppe einen Film anschauen will. Oder darauf achten, dass eine Schülerin mit Allergie keine Nüsse isst – und wenn es doch einmal vorkommt, sofort die Erzieher*innen alarmieren, damit sie ihr ein Antiallergikum verabreichen.

Im Blick zu haben, dass die Kinder bestimmte Toilettenzeiten einhalten, gehört ebenfalls zu seiner Tätigkeit. Immer rechtzeitig daran zu denken, fiel ihm zunächst schwer. „Deshalb stelle ich mir dafür jetzt den Wecker auf meinem Handy“, so Pelle Reinecke.

Auch mit den Kolleg*innen kommt Pelle Reinecke gut zurecht. „Er besucht unsere Dienstbesprechungen, stellt Fragen und wenn er etwas nicht versteht, hakt er nach – mein Team ist insgesamt zufrieden“, sagt Umut Topal, Teamleitung Hort Weidemoor. Da Pelle Reinecke als Springer im Einsatz ist, hat er keine feste Gruppe und bekommt so vielseitige Einblicke in die Schulische Ganztagsbetreuung des Sozialkontors. Mitunter eine Herausforderung für alle Beteiligten ist die Abgrenzung zwischen dem ehemaligen Schüler und heutigen Praktikanten. „Da muss er sich noch in seiner Rolle finden“, so Umut Topal. Sarah Bartsch, Geschäftsfeldleitung der Schulischen Ganztagsbetreuung beim Sozialkontor, kennt Pelle Reinecke auch noch als Jugendlichen im Hort Weidemoor. „Ich freue mich sehr, dass er jetzt bei uns eine reale Chance hat, den Arbeitsmarkt nicht nur kennenzulernen, sondern auch daran teilzunehmen und sich zu entwickeln“, sagt sie.

Traumjob: Hort-Helfer beim Sozialkontor

Damit das gelingt, sprechen Julia Sağra-Das Sharma und ihr Kollege Marcus Buczko von der Hamburger Arbeitsassistenz regelmäßig mit Pelle Reinecke über seine Ziele, unterstützen ihn bei Konflikten und Problemen im Praktikum und bei Bedarf auch mal bei besonderen privaten Ereignissen – zum Beispiel, als er von seiner Pflegefamilie in eine betreute Wohngemeinschaft gezogen ist.

Für seine berufliche Zukunft wünscht Pelle Reinecke sich nichts mehr, als eine feste Anstellung beim Sozialkontor als Hort-Helfer. „Sein Praktikum läuft noch bis Ende Mai dieses Jahres. Im Frühjahr besprechen wir im Team, wie wir uns die Zusammenarbeit als fester Mitarbeiter vorstellen“, so Umut Topal.

„Diese Geschichte ist für mich schon jetzt eine absolute Erfolgsgeschichte. Ich wünsche mir mehr solcher Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen – für eine vielfältige inklusive Gesellschaft“, betont Sarah Bartsch. „Ich danke Pelle Reinecke und dem engagierten Team der Ganztägigen Bildung und Betreuung an der Schule Weidemoor, die ihn mit viel Freude, Zuspruch und Anleitung unterstützen“.