- Individuelle Assistenzplanung mit MeinNavi
- Entwicklung von MeinNavi
- Organisatorisches
- Fachlicher und rechtlicher Hintergrund
Individuelle Assistenzplanung mit MeinNavi
Die Individuelle Assistenzplanung mit MeinNavi ist das zentrale Instrument für Nutzer*innen der Leistungen aller Bereiche des Sozialkontors. Es unterstützt sie dabei, ihre persönlichen Ziele zu erreichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ihre Handlungsspielräume zur gesellschaftlichen Teilhabe zu erweitern und ihre Grundrechte zu verwirklichen. Darüber hinaus bietet MeinNavi die Möglichkeit, die Wirkung der Assistenzleistungen des Sozialkontors systematisch auszuwerten.
Die Basis der individuellen Assistenzplanung ist ein farbig bedruckter Papierplan. In der Mitte des Plans befinden sich sieben Felder, auf denen Fragen und Denkanstöße stehen.
Um die Wirkung der Assistenzleistungen auszuwerten, kommt nach sechs Monaten und nach einem Jahr die Rückseite des Plans mit fünf Frage-Feldern zum Einsatz.
Über den Plan navigieren Nutzer*innen mit einer orangeweißen Pappfigur, die aussieht wie ein Pin auf digitalen Landkarten. Für Menschen mit motorischen Einschränkungen gibt es zudem eine Variante aus Holz, die sich besser greifen lässt. Die Holzfigur wurde im start.werk produziert, einem Beschäftigungsangebot des Sozialkontors im Senator-Neumann-Haus.
Darüber hinaus gibt es auch einen Notizblock sowie eine Dose mit Karten, auf die ebenfalls Notizen notiert werden können.
Ja, den Plan von MeinNavi gibt es auch auf Englisch und auf Türkisch.
Die Assistenzplanung mit MeinNavi machen Nutzer*innen mit Unterstützung ihrer Assistenzkräfte spätestens drei Monate nach Beginn der Assistenzleistung durch das Sozialkontor und ansonsten grundsätzlich einmal jährlich. Spätestens nach sechs Monaten überprüfen sie gemeinsam mit der Assistenz die darin getroffenen Vereinbarungen noch einmal und passen sie bei Bedarf an.
MeinNavi wird in allen Bereichen eingesetzt, in denen Menschen individuelle Assistenzleistungen erhalten: Der Arbeit mit Menschen mit Lernbehinderung, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit erworbenen Hirnschäden.
Bei der Anwendung von MeinNavi müssen mindestens zwei ausgewählte Methoden zum Einsatz kommen. Die Auswahl richtet sich nach den individuellen Zielen und Bedürfnissen des/der Nutzer*in. In der Praxis der individuellen Assistenzplanung haben sich unter anderem diese Methoden bewährt:
Dreamcards: Karten mit Bildern und Anregungen. Diese regen zu Gesprächen über mögliche persönliche Ziele, individuelle Träume und Wünsche an.
Ressourcenkarte: Eine Sammlung von Ressourcen auf persönlicher, familiärer, materieller oder sozialräumlicher Ebene, die genutzt werden können, um Ziele zu erreichen.
9 gute Dinge über mich: Eine Methode, mit der sich Personen ihre eigenen Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen bewusst machen und diese übersichtlich auflisten können.
Netzwerkkarte: Visualisierung des sozialen Umfelds, bei der es um die Frage nach Beziehungen und den sich daraus ergebenden Ressourcen geht. Notiert werden etwa Freund*innen, die Familie, Menschen am Arbeitsplatz und Dienstleister*innen.
Biografiearbeit: Beschäftigung mit der eigenen Person, zum Beispiel mit einem Ich-Pass. Das ist ein Heft im Passformat, das es anhand inspirierender Fragen ermöglicht, sich Vorlieben, Abneigungen, Träume, Sehnsüchte, Gewohnheiten und Leidenschaften bewusst zu machen.
Stadtteilerkundung: Umfeldbezogene Ressourcen und Barrieren entdecken und dokumentieren, beispielsweise Geschäfte, Kulturzentren, Freizeitangebote oder eine Arztpraxis.
Entwicklung von MeinNavi
MeinNavi ist in einem gemeinschaftlichen Prozess entstanden, an dem zehn Mitarbeitende und sieben Nutzer*innen aus allen Bereichen des Sozialkontors aktiv mitwirkten.
Nutzer*innen haben unter anderem das Design des Logos und die Reihenfolge der Felder auf dem MeinNavi-Plan festgelegt und entschieden, dass die Pins aus Pappe und Holz bestehen. Außerdem haben sie dafür gesorgt, dass die Texte leicht verständlich sind. Als MeinNavi fertig war, haben Nutzer*innen das Instrument zusammen mit Assistenzkräften in der Praxis erprobt. Besonders hilfreich fanden die Beteiligten auch einen Rollentausch: Nutzer*innen befragten Mitarbeitende nach ihren Zielen und gaben ihnen Tipps, wie sie diese umsetzen können.
Startschuss war im Frühjahr 2022, seitdem ist aus der Idee zuerst ein Konzept und dann ein fertiges Instrument für die wirkungsorientierte Assistenzplanung geworden. Offiziell eingeführt wird MeinNavi im Januar 2024.
Organisatorisches
Aktuell (November 2023) sind Nutzer*innen und Mitarbeitende damit beschäftigt, MeinNavi in der Praxis zu erproben. Bis Ende 2023 lernen alle Assistenzkräfte des Sozialkontors in Schulungen, wie sie das neue Instrument anwenden. Ab Januar 2024 soll es dann das bisherige Instrument der individuellen Assistenzplanung ablösen – und zwar in allen Bereichen: Der Arbeit mit Menschen mit Lernbehinderung, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit erworbenen Hirnschäden.
Alle Mitarbeitenden des Sozialkontors, die mit MeinNavi arbeiten werden, erhalten die folgende Qualifizierung:
- November und Dezember 2023:
Schulung zu Konzept und Umsetzung - Ab Januar 2024:
Information zur Dokumentation in der Planungs- und Dokumentationssoftware Vivendi - Ab Januar 2024:
Anleitung vor Ort zu zielgruppenspezifischer Anwendung und Methoden
Fachlicher und rechtlicher Hintergrund
MeinNavi erfüllt die Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und setzt die Grundsätze der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) um. Auch die Regelungen zur Wirkung und Wirksamkeit in den Landesrahmenverträgen für Hamburg und Niedersachsen sowie die Rahmenvereinbarung mit der Sozialbehörde werden berücksichtigt.
Das Bundesteilhabegesetz schreibt die Kontrolle von Wirkung im Einzelfall auf leistungsrechtlicher Ebene und die Überprüfung der Wirksamkeit auf vertragsrechtlicher Ebene fest.
Bei der Wirkung geht es immer um die Person, also den Nutzer oder die Nutzerin der Assistenzleistungen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation und der individuellen Ziele und Ressourcen werden auf dieser Ebene die Effekte professionell erbrachter Assistenzleistung in den Blick genommen. Zentral ist hierbei die Perspektive der Nutzerin oder des Nutzers.
Bei der Wirksamkeit richtet sich der Fokus hingegen stärker auf die Strukturen und die Prozesse professioneller Assistenzleistungen. Auf dieser Ebene stellt sich die Frage, welche Bedingungen es überhaupt braucht, damit individuelle Ziele eines Menschen entwickelt und erreicht werden können.
Als allgemein gültiges Instrument zur individuellen Assistenzplanung schafft MeinNavi die Brücke zwischen diesen beiden Ebenen.
Der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zufolge besteht eine Wechselwirkung zwischen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen von Personen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren.
So hat zum Beispiel nicht allein das fehlende Bein Auswirkungen auf die Teilhabe. Auch Hilfsmittel wie ein Rollstuhl, barrierefreier öffentlicher Verkehr und die Motivation, diese zu nutzen, spielen eine Rolle.
Darum berücksichtigt die individuelle Assistenzplanung mit MeinNavi Ressourcen, die dazu beitragen, individuelle Ziele zu erreichen, ebenso wie personen- und umfeldbezogene Faktoren.
Eine zweijährige Begleitforschung in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie (Stiftung Das Rauhe Haus) prüft, ob sich durch den Einsatz von MeinNavi die selbstbeurteilte Lebensqualität von Nutzer*innen der Leistungen des Sozialkontors positiv verändert.