„Zusammenleben in Wilhelmsburg – Wie geht das?“ – um Erfahrungen, Ideen und Kritik zu diesem Thema auszutauschen, trafen sich im Juni über 50 Bewohner*innen aus verschiedenen Quartieren der Elbinsel im Treffpunkt Kirchdorf-Süd des Sozialkontors. Dies geschah im Format einer PopUp-Redaktion – einer temporären, mobilen Redaktion von TIDE.tv und dem Wilhelmsburger Inselrundblick (WIR), um vor Ort Menschen zu ermuntern sich einzubringen. Bereits der Einstieg in die Veranstaltung zeigte: Das Thema bewegt viele Menschen. Trotz offener Fragestellung und sommerlicher Temperaturen fanden sich zahlreiche Besucher*innen zusammen, um an vier themenspezifischen Gesprächsgruppen teilzunehmen – einige Diskussionen verlagerten sich spontan ins Freie, wie der Wilhelmsburger Inselrundblick berichtete.
Die Gesprächsgruppen arbeiteten nach dem World-Café-Prinzip: Im 20-Minuten-Takt wechselten die Teilnehmenden die Tische, an denen Expert*innen Impulse gaben und Diskussionen moderierten. Die zentrale Botschaft: Zusammenleben funktioniert, wenn Vielfalt gelebt, Barrieren abgebaut und Ressourcen gerecht verteilt werden.
In der Gruppe zum Thema „Interkulturelles Leben“ stellte Judy Engelhardt vom Bürgerhaus Wilhelmsburg die Frage: „Haben wir in Wilhelmsburg interkulturelles Leben?“ Die Antwort fiel differenziert aus: Viele Teilnehmende berichteten von einer gewachsenen Toleranz und einem Alltag, in dem Unterschiede akzeptiert werden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass noch immer sprachliche und bürokratische Hürden bestehen und insbesondere migrantische Perspektiven stärker eingebunden werden müssen.
In der Gesprächsgruppe „Inklusion im Alltag“ diskutierten Kathrin Schwarz (Sozialkontor, Treffpunkt Kirchdorf-Süd) und Daniela Quidas-Heer (Schule an der Burgweide) über alltägliche Barrieren. Vom fehlenden barrierefreien Zugang an der S-Bahnstation bis hin zur unzureichenden medizinischen Versorgung für Menschen mit Behinderung – es wurde deutlich, dass Inklusion noch lange keine Selbstverständlichkeit ist. Auch barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit wurde eingefordert: Es brauche mehr verständliche Informationen für Menschen mit Einschränkungen.
In der dritten Gruppe präsentierte Sigrun Clausen (WIR) eine Vielzahl von Projekten, die in Wilhelmsburg bereits aktiv gutes Zusammenleben fördern. Dazu gehören unter anderem die AG Kirchdorf, die Poliklinik Veddel, das Projekt 48h Wilhelmsburg, sowie Initiativen aus dem Bereich frühkindlicher Bildung. Clausen betonte aber auch, dass diese positiven Beispiele nicht über bestehende Missstände wie Rassismus und soziale Ausgrenzung hinwegtäuschen dürften. Ein Problem sei zudem die Wahrnehmung vieler Initiativen als „soziale Blase“ – also als abgeschlossene Kreise, die neue Teilnehmende eher abschrecken als einladen.
Oliver Menk (Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg) moderierte die Gruppe „Quartiersübergreifende Interessen“. Zwei besonders dringliche Themen wurden hier benannt: Die Schließung des Krankenhauses Groß-Sand und die Deichsicherheit auf der Elbinsel. Auch fehlende Sportflächen, ein unzureichendes Kulturangebot und das Fehlen eines Kinos oder Theaters wurden diskutiert. Ergänzend wünschten sich Teilnehmende eine bessere Verkehrsplanung, mehr Parkbänke sowie bezahlbaren Wohnraum.
Das Fazit der Veranstalter*innen fiel am Ende positiv aus: Die dritte PopUp-Redaktion zeige eindrucksvoll, wie viel Potenzial im nachbarschaftlichen Engagement auf Wilhelmsburg stecke. Trotz struktureller Hürden und offener Fragen gäbe es viele gute Ansätze für ein solidarisches Zusammenleben. Die Veranstaltung habe Menschen ermutigt, miteinander zu sprechen – und gemeinsam weiterzudenken. So geht das!
Ein Video zur Veranstaltung, produziert von TIDE.tv: