1. Frau Gersdorf, was verbinden Sie mit Gemeinschaft?
Ich bin ein Mensch, der es liebt, in Gemeinschaft zu agieren, sich auszuprobieren, sich gegenseitig zu inspirieren und etwas zu kreieren. Durch meine Körperbehinderung, mit der ich seit meiner Geburt lebe, habe ich als Kind und Jugendliche sehr viele negative Erfahrungen gemacht und gelernt, wie Gemeinschaft nicht funktioniert. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir Menschen jeden Alters begleiten und darüber aufklären, was es bedeutet, wenn Menschen verschieden sind und in ihrem Leben mit unterschiedlichen Hürden und Herausforderungen konfrontiert werden. Denn Gemeinschaft kann nur gelingen, wenn wir uns in unserer Unterschiedlichkeit begreifen und unsere Talente ganzheitlich für gemeinsame Ziele nutzen. Dabei wachsen wir miteinander, auch in schwierigen Situationen, und finden kreative Lösungen, die uns als Gesellschaft voranbringen.
2. Sie sagen, dass Sie einen Diversitätsbonus haben. Was bedeutet das?
Sobald mir jemand gesagt hat, das kannst du nicht aufgrund deiner Behinderung, habe ich Wege gefunden, den Menschen zu zeigen: Jetzt erst recht, ich kann das – und wenn es bedeutete, dass ich noch eine zusätzliche Ausbildung machte. Ähnliches habe ich auch bei Menschen mit anderen Diversitätsmerkmalen wie zum Beispiel Hautfarbe, Kultur oder Sprache erlebt. Dabei wächst man nicht nur über sich hinaus – man entwickelt sein Umfeld gleich mit weiter. Ein Beispiel: Benjamin Adrion, der Gründer von Viva con Agua und mein früherer Chef, hat zu mir gesagt: »Deine Behinderung interessiert mich nicht, ich bin an deiner Leistung und an deinen Fähigkeiten interessiert.« Das machte er 2015 auch dem Integrationsamt klar, als es ihm nahelegte, sich als kleines Unternehmen nicht unnötig mit einer Mitarbeiterin mit Behinderung zu belasten.
3. Heute beraten Sie als Kommunikationsexpertin Unternehmen in Sachen »Positive Relations«. Was hat es damit auf sich?
Angelehnt an den Begriff Public Relations, also Öffentlichkeitsarbeit, geht es dabei nicht nur um Kommunikation, sondern vor allem auch um messbare Veränderungen. Also: Wie können wir die Welt besser machen? Denn Unternehmen wollen sich gesellschaftlich engagieren, aber sie wollen auch selbst einen Nutzen daraus ziehen. Ich finde das gut so, denn wenn alle profitieren, arbeiten wir auf Augenhöhe. Damit das gelingt, identifiziere ich für die Unternehmen, welche guten Taten, Aktionen und Ergebnisse am besten zu ihrer Strategie und ihren Möglichkeiten passen. Wenn sie diese umsetzen, können sie auch glaubwürdig darüber kommunizieren.
Foto: Guido Werner