1. Frau Demirel, was bedeutet für Sie Respekt?
Respekt bedeutet für mich, dass wir ehrlich und offen auf gleicher Augenhöhe miteinander umgehen. Das schließt eine Akzeptanz und Wertschätzung für alle Lebensentwürfe ein, unabhängig von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, ethnischer oder sozialer Herkunft, körperlicher Merkmale, Erkrankung, Alter oder Weltanschauung. Ich möchte die Menschen ermutigen, ihre Rechte geltend zu machen. Wir brauchen gleichberechtigte Teilhabe für alle. Dass wir gemeinsam zusammenleben, obwohl oder gerade weil wir unterschiedlich sind. Diese Vielfalt ist unsere Zukunft.
2. Das scheinen nicht alle Bürger*innen so zu sehen. Berichte zu Gewalt und Rassismus häufen sich. Hat sich das Problem verschärft?
Studien belegen das. Jedes Jahr gibt es höhere Fallzahlen. Vor allem wird Rassismus immer offener. Das ist eine große Gefahr, denn es zeigt, dass die Hemmschwelle zu rassistischen Gewalttaten niedriger wird. Kleine Gruppen, die ganz laut sind, bestimmen die Tagesordnung. Aber die Millionen Menschen, die gegen Rassismus auf die Straße gehen, sind die Mehrheit. Das macht auch Menschen mit Migrationshintergrund Mut. Wir als Stadt müssen den Menschen höchsten Diskriminierungsschutz anbieten, Beratungsstellen horizontal ausweiten und gesetzliche Lücken schließen. Mein Traum ist es, alles gebündelt unter einem Dach anzubieten, damit die Menschen wissen, wohin sie sich wenden können –insbesondere bei Mehrfachdiskriminierungen.
3. Wo sehen Sie die Herausforderungen in Sachen Diskriminierungsschutz?
Die größten Schwierigkeiten sehe ich bei der strukturellen Diskriminierung. Das Integrationsmonitoring der Länder weist 2021 für Hamburg einen Anteil von 19,1 Prozent Beschäftigten mit Migrationsgeschichte aus. In der Führungsebene ist die Luft viel dünner. Dabei liegt ihr Anteil in der Gesellschaft bei fast 40 Prozent. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Ähnlich verhält es sich beim Thema Inklusion. Die Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Kloiber berichtet jährlich in unserem Ausschuss. „Bei gleicher Qualifikation bevorzugt Menschen mit Behinderung einstellen“ – steht seit Jahren in den Stellenausschreibungen der Behörde, aber die Quote ändert sich sehr langsam. Auch Unternehmen tragen eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir brauchen Gesetze. Aber wir brauchen auch eine Änderung in der Einstellung der Menschen. Politik funktioniert nur im Austausch mit der Gesellschaft. Es geht darum, eine gemeinsame Lösung mit den Betroffenen zu finden. Wir haben in Hamburg jetzt einen Ausschuss für Gleichstellung und Antidiskriminierung. Das gab es vorher nicht. Bis Ende des Jahres erarbeitet der Senat auf unseren Antrag konkrete Maßnahmen für eine Antidiskriminierungsstrategie für Hamburg, die dann umgesetzt wird.