Groß Borstel, kurz vor 9 Uhr an einem trüben Freitag im Februar. Im Haus Beerboom, einem Wohn-Angebot des Sozialkontors für Menschen mit Behinderungen, ist heute mehr los als sonst um diese Zeit. Mitarbeitende und Bewohner*innen in Rollstühlen stehen erwartungsvoll im Foyer und unterhalten sich. Der Besprechungsraum ist hell erleuchtet, auf dem Tisch stehen Franzbrötchen und Brezeln, es duftet nach frischem Kaffee. Wenig später trifft ein besonderer Gast ein: Katharina Fegebank, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, möchte sich ein Bild von der Einrichtung machen und mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Die Grünen-Politikerin wird begrüßt von Britt Viemann (Mietersprecherin Wohnen mit Assistenz Klotzenmoor), Ulfert Kniffka (Wohnbeirat Haus Beerboom), Kay Nernheim (Geschäftsführer Sozialkontor), Yvonne Stresow (Geschäftsbereichsleitung Teilhabe mit Pflege) und Ina Terragnolo (Leitung Haus Beerboom). Nach einer kurzen Vorstellungsrunde informiert Kay Nernheim über die Arbeit des Sozialkontors und den Schwerpunkt der Wohnangebote Haus Beerboom und Wohnen mit Assistenz Klotzenmoor, die auf die Teilhabe und Pflege von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und komplexen Behinderungen spezialisiert sind. „Ich freue mich hier zu sein und bin gespannt darauf, Ihre Einrichtungen kennenzulernen und zu erfahren, wo es gut läuft und was es noch für Unterstützung braucht“, sagt Katharina Fegebank.
Dringend benötigt: Barrierefreier Wohnraum
Damit sie sich davon selbst ein Bild machen kann, bekommt die Politikerin erstmal eine Führung. Zunächst geht es ins Nachbarhaus, wo sich das ambulante Angebot Wohnen mit Assistenz Klotzenmoor befindet. Ambulant bedeutet, dass die Bewohner*innen die Wohnungen selbst gemietet und mit dem Sozialkontor oder anderen Anbietern Verträge über Assistenz und Pflege abgeschlossen haben. Zu besichtigen gibt es daher nur den Gemeinschaftsraum mit Küche im Erdgeschoss, der Rest ist privat.
Beim „Küchengespräch“ nutzt Mietersprecherin Britt Viemann die Gelegenheit, mit der Zweiten Bürgermeisterin über eins der aus ihrer Sicht dringendsten Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu sprechen: geeigneten Wohnraum. „Die Wohnung, in der ich früher gelebt habe, war nicht barrierefrei. Das ging irgendwann nicht mehr und dann war ich wirklich froh, dass ich hierher umziehen konnte“, sagt sie. Katharina Fegebank pflichtet ihr bei und betont: „Es müssen noch viel mehr barrierefreie Wohnungen gebaut werden – dabei ist es wichtig, dass die Menschen, die darin wohnen werden, schon bei der Planung mit einbezogen werden.“
Sport verbindet – auch HSV- und Werder-Bremen-Fans
Danach geht es wieder rüber ins Haus Beerboom, wo die Zweite Bürgermeisterin zunächst die Räume des Therapiezentrums kennenlernt. Einrichtungsleitung Ina Terragnolo erzählt, dass die Bewohner*innen hier neben Assistenz zur Teilhabe und Pflege auch Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie vor Ort erhalten – und die Mitarbeitenden so in multiprofessionellen Teams arbeiten und sich direkt abstimmen können.
Zwischendurch entspannt sich ein lockeres Gespräch über Sport: Wohnbeirat Ulfert Kniffka ist passionierter HSV-Fan, Katharina Fegebank bekennende Werder-Bremen-Anhängerin, außerdem war sie selbst lange im Handball und beim Schwimmen aktiv. Britt Viemann schwärmt von der barrierefreien Barakiel Halle in Alsterdorf und wünscht sich mehr solcher Angebote in Hamburg.
In der Wohnküche von Wohnbereich 2 trifft die Zweite Bürgermeisterin dann auf eine Gruppe Bewohner*innen, die sie nach ihrem Befinden fragt. Eine junge Frau ist leider heute total schlecht gelaunt und möchte lieber nicht reden. Katharina Fegebank lächelt verständnisvoll – „auch das ist völlig in Ordnung und gehört zu einem realistischen Eindruck dazu.“ Und dafür ist die Stimmung bei den „Cracks an der Basis“, wie Ina Terragnolo die Kolleg*innen im Dienstzimmer der Pflege wertschätzend nennt, dann umso besser.
Sorge um politische Debatte – das Sozialkontor ist divers
Am Ende des Rundgangs wartet im Foyer noch ein Highlight: Der CareTable, eine Art überdimensioniertes Tablet, auf dem Menschen mit Einschränkungen im Internet surfen, Apps nutzen und alleine oder gegeneinander spielen können. Gerade sehen sich dort drei Bewohnerinnen mit einer Mitarbeiterin Rezepte an – unter anderem für Linsen- und Pilzsuppe. „Lecker, da bekomme ich ja direkt Hunger“, so die Zweite Bürgermeisterin.
Jetzt ist die Stunde, die für den Besuch veranschlagt war, schon fast vorbei. Doch Katharina Fegebank nimmt sich noch etwas mehr Zeit – auch, um zu erfahren, was die größten Sorgen des Geschäftsführers des Sozialkontors in Bezug auf die anstehenden Wahlen und das Bröckeln der Brandmauer gegen die AfD sind. „Wir sind ein diverses Unternehmen – leider trägt die aktuelle Debatte nicht dazu bei, dass sich Menschen in Deutschland willkommen fühlen, was es uns als soziales Unternehmen unter anderem noch schwieriger macht, genug Menschen zu finden, die bei uns arbeiten möchten“, sagt Kay Nernheim.
Katharina Fegebank räumt ein, dass sie angesichts der Prognosen für die Bundestagswahlen und möglichen Koalitionen eine „Blockadepolitik zum Abgewöhnen“ fürchtet. In Hamburg nehme sie die Stimmung aber als überwiegend positiv wahr. „Die Menschen sind total motiviert, wir haben Mega-Zuspruch – aber leider spiegelt sich das noch nicht in den Prognosen auf Bundesebene wider. Man kann nur hoffen, dass die aktuellen Entwicklungen mehr Leute mobilisieren, zu wählen.“
Katharina Fegebank lobt Stimmung im Haus
Nun ist es aber wirklich Zeit, schließlich ist Wahlkampf und die Zweite Bürgermeisterin muss gleich weiter zum nächsten Termin. Zum Schluss bedankt sie sich nochmal für die spannenden Einblicke: „Das war sehr beeindruckend, hier herrscht eine tolle Stimmung und man merkt, dass die Leute Freude daran haben, zur Arbeit zu kommen.“
Auch die Interessensvertreter*innen sind mit dem Termin zufrieden. „Das Gespräch lief gut, Katharina Fegebank war sehr gut vorbereitet“, so Britt Viemann. Ulfert Kniffka hat vor allem die Präsenz der Politikerin beeindruckt: „Diese Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzulassen – und immer etwas Passendes zu sagen, auch wenn man täglich mit zig Leuten spricht“, sagt er.