Wenn die Seele Türkisch spricht

Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund brauchen bei psychischen Problemen kultursensible Unterstützung. Das Sozialkontor hat solche Angebote – und sucht dafür dringend türkischsprachige Fachkräfte.


Hamburg-Harburg – Gülser Çiçek hat heute schon einen weiten Weg hinter sich. Fast eine Stunde brauchte sie, um mit U- und S-Bahn aus Eimsbüttel bis nach Harburg zu fahren. Den Aufwand nimmt sie gern auf sich, betont die 56-jährige gebürtige Türkin. Der Grund für die lange Fahrt heißt Zueleyhan Demiroglu. Lächelnd reicht die 50-jährige Gülser ein Glas mit dampfendem Tee, den sie aus einem silbernen Kocher, auf Türkisch „Semaver“, eingefüllt hat.

Wie jeden Donnerstag begleitet Zueleyhan Demiroglu heute Mittag die Teestunde im Treffpunkt Hamburg Süd des Sozialkontors. Sieben Frauen sind gekommen, um Tee zu trinken, Kekse zu backen und –vor allem – sich auszutauschen. Die jüngste ist 40, die Älteste fast 70 Jahre alt, drei tragen ein Kopftuch. Eine von ihnen stammt aus Aserbaidschan, eine aus Bulgarien. Doch die meisten haben türkische Wurzeln. Einige sprechen perfekt Deutsch, andere bevorzugen Türkisch.

Die angehende Sozialpädagogin Zueleyhan Demiroglu leitet das offene Angebot zusammen mit ihrer Kollegin, der 26-jährigen Sozialpädagogin Cansel Tokmak. Beide Frauen haben Eltern, die aus der Türkei stammen und sprechen perfekt Türkisch. Ihre Sprach- und Kulturkenntnisse sind bei ihrer Arbeit ein großer Vorteil. „Mehr als die Hälfte der Menschen, die in Harburg leben, haben internationale Wurzeln – viele Familien sind aus der Türkei eingewandert“, sagt Ulf Möller, Leiter des Sozialkontors Harburg.

Gern würde er noch mehr Kolleg*innen mit Türkischkenntnissen einstellen. Doch das ist gar nicht so einfach. „Wir haben seit mehr als einem Jahr eine Stelle als Fachkraft im Assistenzdienst mit Türkischkenntnissen ausgeschrieben, die wir nicht besetzen können“, so Möller. Gesucht werden Sozialpädagog*innen, Erzieher*innen, Heilerziehungspfleger*innen, qualifizierte Psychiatrische Pflegekräfte oder Menschen mit vergleichbaren Qualifikationen. Im Rahmen der individuellen Assistenz in der Sozialpsychiatrie unterstützen die Treffpunkt-Mitarbeitenden Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei, ihren Alltag eigenständig zu meistern. Sie beraten, begleiten Arztbesuche oder Behördengänge, besuchen die Menschen in ihrem Zuhause, erkunden zusammen mit ihnen den Stadtteil und leiten offene Angebote wie die Teestunde.

Die Gründe, diese Angebote zu nutzen, sind vielfältig. Oft sind es psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, aber auch familiäre oder persönlichen Krisen. Wer Krieg, Flucht oder Rassismus erlebt hat, leidet zudem häufig an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. „Bei jeder anderen Krankheit spielt es keine Rolle, wer einem hilft. Aber wenn man psychische oder seelische Probleme hat, ist es sehr hilfreich jemanden zu haben, der nicht nur die Sprache spricht, sondern auch das kulturelle Umfeld kennt, in dem man sich bewegt“, sagt Gülser Çiçek, die Zuleyhan Demiroglu noch von ihrem vorherigen Arbeitsplatz in Eimsbüttel kennt.

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Mehr Informationen zum Sozialkontor Harburg und zu offenen Stellen gibt es bei Henning Dinter:
Telefon: 0173 / 40 95 631
E-Mail: h.dinter@sozialkontor.de